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Das Wattenmeer: Wo sich Land und Meer zweimal täglich verabreden

Das Wattenmeer lebt im Takt der Gezeiten. Zweimal täglich ziehen sich die Wassermassen der Nordsee zurück und legen den Meeresboden frei, der als Watt bezeichnet wird.

Lesezeit: ca. 5 Min.
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Zwischenablage

Als vor etwa 10.000 Jahren die letzten Gletscher der Eiszeit schmolzen und der Meeresspiegel anstieg, entstand eines der bemerkenswertesten Naturphänomene Europas: das Wattenmeer. Dieses dynamische Küstengebiet erstreckt sich heute über 500 Kilometer von den Niederlanden über Deutschland bis nach Dänemark und bildet das größte zusammenhängende Wattengebiet der Welt.

Der Mix aus Salz- und Süßwasser, das durch die Flüsse eingebracht wird, sorgt für die Ablagerung von Sedimenten und organischen Stoffen im Watt. Diese Ablagerungen bilden die Grundlage für ein reichhaltiges Nahrungsangebot und haben zur Entstehung vielfältiger ökologischer Nischen geführt. Es ist genau dieser stetige Wechsel der Gezeiten, der das Wattenmeer zu einem so außergewöhnlichen Lebensraum macht.

Nicht ohne Grund gehört das Wattenmeer seit 2014 zum UNESCO-Weltnaturerbe – ein Status, der seine globale Bedeutung unterstreicht.

Die drei deutschen Wattenmeer-Nationalparks

Der deutsche Teil des Wattenmeers ist in drei Nationalparks unterteilt:

  • Der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer ist mit 4.380 km² der größte und erstreckt sich von der Elbmündung bis zur dänischen Grenze.
  • Das Niedersächsische Wattenmeer umfasst 3.450 km² und grenzt an das niederländische Wattenmeer sowie an den Hamburger Park.
  • Der Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer ist mit 137,5 km² der kleinste der drei Schutzgebiete.

Diese Nationalparks wurden vor etwa 30 Jahren eingerichtet, um das sensible Ökosystem zu schützen und seine natürliche Entwicklung zu gewährleisten.

Leben im Wechsel der Gezeiten

Fast 10.000 Tier- und Pflanzenarten haben sich an die besonderen Bedingungen des Wattenmeers angepasst. Viele von ihnen sind endemisch – sie kommen ausschließlich in diesem Lebensraum vor.

Die Schlick- und Sandflächen beherbergen zahlreiche Muscheln, Würmer, Schnecken und Krebse. Der berühmte Wattwurm hinterlässt seine charakteristischen kleinen Sandhäufchen auf der Wattoberfläche. In den tieferen Gewässern leben Seehunde, Kegelrobben und sogar Schweinswale – die einzige heimische Walart der Nordsee, die oft mit Delfinen verwechselt wird.

Das Wattenmeer zählt zu den vogelreichsten Regionen Europas. Millionen von Zugvögeln nutzen es als unverzichtbare Rast- und Brutstätte auf ihrem Weg zwischen der Arktis und Afrika. Der reiche Nahrungsvorrat macht es zu einem idealen Ort zum Aufbau von Energiereserven für die lange Reise oder zum Überwintern.

Pflanzliche Überlebenskünstler

Die Pflanzenwelt des Wattenmeers hat erstaunliche Anpassungsstrategien entwickelt. In den überfluteten Zonen dominieren kleinwüchsige Seegräser und Algen, die der Strömung standhalten und stundenlange Unterwasserzeiten überstehen.

Die Salzwiesen beheimaten spezialisierte Blütenpflanzen wie Queller, die mit dem hohen Salzgehalt zurechtkommen. In den Dünengebieten wächst hauptsächlich Strandhafer, der mit seinen ausgedehnten Wurzelsystemen den Sand stabilisiert und so die Küstenlinie schützt.

Bedrohungen für einen empfindlichen Lebensraum

Das sensible Gleichgewicht des Wattenmeers ist verschiedenen Gefahren ausgesetzt:

  • Überfischung hat bereits viele Fischbestände in der Nordsee dezimiert.
  • Intensive Landwirtschaft in den Küstengebieten führt zu Nährstoffeinträgen, die das Algenwachstum fördern und anderen Pflanzen das Licht nehmen.
  • Verloren gegangene Fischernetze, sogenannte Geisternetze, treiben im Meer und fangen weiterhin Tiere, die sich nicht befreien können.
  • Plastikmüll wird von Vögeln, Robben und anderen Meeresbewohnern oft mit Nahrung verwechselt.
  • Der Klimawandel lässt den Meeresspiegel steigen und bedroht langfristig zahlreiche Lebensräume im Wattenmeer.
  • Touristische Aktivitäten wie nicht angeleinte Hunde, Lärm und das Betreten geschützter Bereiche stören Brutvögel und andere Tiere.

Wattwandern – Sicher das Watt erkunden

Eine Wattwanderung bietet die beste Möglichkeit, diesen faszinierenden Lebensraum hautnah zu erleben. Für Anfänger empfehlen sich geführte Touren mit erfahrenen Wattführern, die nicht nur jedes Lebewesen benennen können, sondern auch mit den Gezeiten vertraut sind und für eine sichere Wanderung sorgen.

Wenn du auf eigene Faust loswillst, beschränke dich auf kurze Touren in Strandnähe oder informiere dich gründlich. Die Flut kann unbedarfte Wanderer überraschen, und Priele – die Wasserläufe im Watt – können bei einsetzendem Hochwasser schnell zu reißenden Strömen werden.

Beachte für sichere Wattwanderungen folgende Regeln:

  • Informiere dich über aktuelle Hoch- und Niedrigwasserzeiten.
  • Hole Wasserstandsvorhersagen ein (z.B. beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie).
  • Achte auf die Wettervorhersage.
  • Gehe nicht bei Flut ins Wasser.
  • Meide das Watt bei Dunkelheit, Gewitter oder Nebel.
  • Durchquere keine tiefen Priele, die starke Strömungen haben können.
  • Nimm Uhr, Kompass und Handy mit.
  • Respektiere Betretungsverbote in geschützten Bereichen.
  • Achte auf scharfe Muschelschalen.

Vor Ort mehr erfahren

Entlang der gesamten Nordseeküste findest du zahlreiche Informationseinrichtungen der Nationalparks. Sie bieten spannende Ausstellungen über die Lebenszusammenhänge im Wattenmeer und sind auch bei Regenwetter eine lohnende Anlaufstelle.

Die Nationalparkhäuser haben sich zum Ziel gesetzt, für den Schutz des Wattenmeers zu werben und das Naturverständnis von Einheimischen und Besuchern zu fördern. Darüber hinaus gibt es Schutzstationen, die Veranstaltungen, Führungen und geführte Wattwanderungen anbieten – eine ideale Gelegenheit, dieses einzigartige Ökosystem mit allen Sinnen zu erleben.

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