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Eiergrog und Pharisäer: Hochprozentige Warmgetränke aus Nordfriesland

Flüssige Wärme gegen das raue Klima: Eiergrog und Pharisäer sind mehr als nur Getränke – sie sind ein Stück nordfriesische Kultur und Geschichte.

Lesezeit: ca. 7 Min.
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Zwischenablage

An der nordfriesischen Küste, wo der Wind rau über die Deiche pfeift und die Nordsee ihre salzige Gischt bis weit ins Land trägt, haben die Menschen seit Generationen einen besonderen Weg gefunden, sich von innen zu wärmen: hochprozentige Heißgetränke mit ganz eigener Geschichte. Eiergrog und Pharisäer sind nicht nur Getränke – sie sind ein Stück nordfriesische Identität, die du bei deinem Besuch an der Nordseeküste unbedingt probieren solltest.

Die Getränke entstanden aus der Notwendigkeit, dem oft ungemütlichen Klima der Region zu trotzen. Die Kombination aus heißem Wasser oder Kaffee mit Rum und weiteren Zutaten sorgt für wohlige Wärme und hat sich über die Jahrhunderte zu einer festen Tradition entwickelt, die in keiner Gaststätte an der nordfriesischen Küste fehlen darf.

Der Eiergrog: Das flüssige Gold der Nordsee

Der Eiergrog ist das wohl bekannteste Heißgetränk der Region und besteht im Wesentlichen aus heißem Wasser, Rum, Zucker und Eigelb. Die goldgelbe Farbe und der cremige Geschmack machen ihn zu einem beliebten Getränk in den kalten Monaten.

Die Ursprünge des Eiergrogs liegen in der Seefahrt. Während der langen Reisen auf See war Rum nicht nur ein Genussmittel, sondern auch ein wichtiges Konservierungsmittel. Die Kombination mit Eigelb und Zucker machte das Getränk nahrhafter und half den Seeleuten, die Strapazen der Seefahrt zu überstehen.

Heute wird der Eiergrog in verschiedenen Variationen angeboten. In der traditionellen Version wird das Eigelb mit Zucker schaumig geschlagen, mit heißem Wasser aufgegossen und mit einem guten Schuss braunem Rum verfeinert. Manche Lokale fügen auch noch Gewürze wie Zimt oder Vanille hinzu, um dem Getränk eine besondere Note zu verleihen.

Der Pharisäer: Ein Getränk mit Geschichte

Der Pharisäer ist ein weiteres traditionelles Heißgetränk der Region und hat eine besonders interessante Entstehungsgeschichte. Der Name geht auf eine Anekdote aus dem 19. Jahrhundert zurück, die sich auf der nordfriesischen Insel Nordstrand zugetragen haben soll.

Der Legende nach hatte der dortige Pastor Peter Wieblitz seinen Gemeindemitgliedern den Alkoholkonsum verboten. Bei einer Taufe im Jahr 1872 soll der Bauer Peter Johannsen die Idee gehabt haben, den Kaffee mit Rum zu mischen und mit einer dicken Schicht Schlagsahne zu bedecken, um den Alkoholgeruch zu verbergen. Als der Pastor die Feier besuchte und bemerkte, dass alle Gäste außer ihm selbst alkoholischen Kaffee tranken, soll er ausgerufen haben: "Ihr Pharisäer!" – in Anspielung auf die biblischen Heuchler.

Ein echter Pharisäer besteht aus heißem Kaffee, einem ordentlichen Schuss Rum (traditionell 4 cl) und wird mit einer dicken Schicht ungesüßter Schlagsahne gekrönt. Wichtig dabei: Der Pharisäer wird nicht umgerührt, sondern durch die Sahne getrunken, wodurch sich der heiße Kaffee mit dem Rum und der kalten Sahne auf eine besondere Weise vermischt.

Wo du die besten Nordseespezialitäten findest

Entlang der nordfriesischen Küste und auf den Inseln gibt es zahlreiche Cafés und Restaurants, die diese traditionellen Getränke in bester Qualität anbieten. Besonders authentisch schmecken sie in den kleinen, familiengeführten Cafés, die oft seit Generationen die gleichen Rezepte verwenden.

Auf Sylt findest du im historischen Friesencafé in Keitum und im Café Wien in Westerland hervorragende Versionen beider Getränke. Auf Föhr ist das Café Nieblum für seinen Pharisäer bekannt, während auf Amrum das Café Quedens in Nebel einen exzellenten Eiergrog serviert.

Auch auf dem Festland, besonders in Husum, Tönning und Friedrichstadt, werden diese Getränke in vielen traditionellen Gaststätten angeboten. Das Café Friedrichstadt in der gleichnamigen Stadt ist besonders für seinen Pharisäer bekannt, während das Hafenblick in Husum einen der besten Eiergrogs der Region serviert.

Selbst zubereiten: Die Grundrezepte

Wenn du die nordfriesischen Spezialitäten zu Hause nachbereiten möchtest, hier die Grundrezepte:

Eiergrog:

  • 2 Eigelb
  • 2 EL Zucker
  • 100 ml heißes Wasser
  • 4 cl brauner Rum

Eigelb und Zucker schaumig schlagen, heißes (nicht kochendes) Wasser unter ständigem Rühren hinzufügen, dann den Rum einrühren. In vorgewärmten Gläsern servieren.

Pharisäer:

  • 200 ml starker, heißer Kaffee
  • 4 cl brauner Rum
  • 1-2 Stück Würfelzucker
  • 2-3 EL steif geschlagene Sahne

Kaffee in ein vorgewärmtes Glas geben, Zucker und Rum hinzufügen. Vorsichtig die steif geschlagene Sahne darauf geben, so dass sie auf dem Kaffee schwimmt. Nicht umrühren!

Modernes Trinken mit Tradition

In den letzten Jahren haben innovative Köche und Barkeeper begonnen, die traditionellen Rezepte neu zu interpretieren. In einigen Restaurants und Bars an der Nordseeküste findest du inzwischen auch Variationen wie den "Pharisäer Royal" mit Espresso statt Filterkaffee oder den "Grog Spezial" mit Gewürzen wie Kardamom oder Sternanis.

Das Restaurant Söl'ring Hof auf Sylt bietet beispielsweise eine moderne Version des Eiergrogs an, bei der karamellisierter Zucker und hausgemachte Vanillesahne zum Einsatz kommen. Im Sturmhaube in St. Peter-Ording wird ein "Pharisäer 2.0" mit Espresso und Bourbon-Vanille serviert.

Trotz dieser modernen Interpretationen bleiben die traditionellen Versionen weiterhin die beliebtesten – und für viele Einheimische die einzig wahren.

Wann ist die beste Zeit für einen Grog oder Pharisäer?

Die hochprozentigen Heißgetränke werden traditionell in den kälteren Monaten getrunken, also von Oktober bis April. Besonders beliebt sind sie nach einem langen Spaziergang am Strand oder auf dem Deich, wenn der Wind die Gischt ins Gesicht gepeitscht hat und die Finger klamm vom Wetter sind.

In den Sommermonaten findest du sie zwar auch auf den Karten der Cafés und Restaurants, aber die Einheimischen bestellen sie dann eher selten. Ausnahmen bilden kühle Sommerabende, wenn der Wind von der Nordsee her weht und die Temperaturen deutlich fallen.

Für den perfekten Pharisäer- oder Grog-Genuss empfiehlt sich ein Besuch der nordfriesischen Küste in der Nebensaison, wenn die Touristenströme abgeebbt sind und du die Getränke in ruhiger Atmosphäre genießen kannst.

Trinkkultur und Etikette

Bei beiden Getränken gibt es kleine Besonderheiten in der Trinkkultur zu beachten. Den Pharisäer trinkt man traditionell, ohne die Sahne umzurühren – den Rum-Kaffee schlürft man durch die Sahnehaube. Es gilt als Fauxpas, den Pharisäer umzurühren, auch wenn dies natürlich kein schwerwiegender Verstoß ist.

Der Eiergrog wird dagegen in kleinen Schlucken getrunken, da er sehr heiß serviert wird. In manchen traditionellen Lokalen wird er in speziellen Grog-Gläsern mit Henkel serviert, um die Finger vor der Hitze zu schützen.

Beide Getränke werden übrigens selten allein getrunken – sie sind Teil einer geselligen Runde und werden oft nach dem Essen oder am späten Nachmittag genossen.

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